Artikel aus der Stuttgarter Zeitung
Stadtausgabe (Nr. 273)
vom Mittwoch, den 26. November 2014, Seite Nr. VII
Wer wedelt hier mit wem?
Rückblick Bei der Debatte über öffentliche Klinik-Debatten im Kreistag wird ein Junior zum Senior. Markus Klohr
Wenn das Herrchen mit der Wurst wedelt, dann weiß Wuffi, dass alles gut ist. Wenn Wuffis Schwanz hingegen anfängt, mit dem ganzen Hundchen zu wedeln, dann sollte Herrchen anfangen, sich seine Gedanken zu machen.
Das gilt nicht nur für Tierfreunde, sondern auch für das vom Aussterben bedrohte Völkchen, das sich für Kreis- und Kommunalpolitik interessiert.
Gar nicht so langweilig, diese Materie! Nehmen wir mal an, es gäbe eine Gruppe verschworener Machthaber im Landkreis Ludwigsburg. Und nehmen wir ferner an, diese finsteren Herren in grauen Anzügen wollten verhindern, dass die Öffentlichkeit von ihren Machenschaften in der Klinikgesellschaft erfährt.
Also wird streng nichtöffentlich beraten, bis im Kreistag (Freitag nächste Woche) alle nur noch die Hand heben müssen und gar keine Zeit mehr für öffentliche Debatten ist. So in etwa sieht es jedenfalls der Kreisrat Hans-Jürgen Kemmerle (Linke). Aber er hat die Rechnung ohne den hundwedelnden Schwanz gemacht! Leider sei eine öffentliche Vorberatung des Klinik-Themas nicht möglich, ‚weil wir in dieser Sache nicht allein auf der Welt sind‘, beteuerte der Landrat Rainer Haas nicht weniger als dreimal im Verwaltungsausschuss des Kreistags. Diese Praxis gehe nämlich auf ‚einen Wunsch der Stadt Bietigheim-Bissingen‘ zurück, verriet hernach auch der dortige OB (und SPD-Kreisrat) Jürgen Kessing. Man wolle mit allen Mitteln den politischen Super-GAU verhindern: dass nämlich die Stadträte in Bietigheim-Bissingen als Juniorpartner in der Klinikgesellschaft des Kreises aus der Zeitung (!) davon erfahren, wohin die Reise nach Ansicht des Seniorpartners Kreistag geht. Prompt wurde Kemmerles Antrag niedergebügelt – einzig vier Grünen-Kreisräte stimmten mit dem Linken.
Nun muss man wissen, dass die Stadt Bietigheim-Bissingen eine Sonderrolle inne hat. Zahlt sie, wie der Kreis, etwas, um das Defizit der Kliniken auszugleichen? Nein! Stellt sie mit dem OB den Vize-Vorsitzenden der Klinikengesellschaft? Ja! Und das, obwohl die Stadt damals sage und schreibe Null Euro (damals noch: Null D-Mark) eingebracht hat – außer dem Krankenhaus natürlich. Damals hat die Stadt eben mit List verhandelt, mit Manfred List, CDU-Kreisrat und Kessings Vorgänger im Chefsessel des Rathauses. Warum nur profiliert sich der Schwanz als Oberwedler und der Hund lässt es geschehen?
Vollends kurios wird die Sache, wenn man bedenkt, dass der Landrat selbst vor ziemlich genau einem Jahr (übrigens auf Antrag eines gewissen Herrn Kemmerle) zugesichert hat, das Thema Kliniken künftig in allen zuständigen Gremien öffentlich zu beraten. Was nur hat den Landrat zum Gemütswandel bewegt? Vielleicht war es der CDU-Fraktionschef im Kreistag (und List-Fraktionskollege), der Haas zur Ordnung gerufen hat – wenn überhaupt, dann nichtöffentlich versteht sich. Jener Manfred Hollenbach reagierte auf Kemmerles jüngsten Antrag mit einer Gratis-Lektion politischer Bildung: ‚Es ist gut, dass wir eine staatliche Ordnung haben
– auch wenn die Ihnen oder Ihren Parteifreunden nicht so gefällt.‘ Die Quintessenz in zwei Sätzen: 1. Kemmerle ist der legitime SED-Nachfolger im Landkreis Ludwigsburg. Und 2. Wenn hinter verschlossenen Türen beraten wird, ist für die CDU alles in Ordnung.
Der Artikel im Original als PDF Stuttgarter Zeitung